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Sie wissen nicht, wo es lang geht?

Was es braucht, um gute Entscheidungen zu treffen

Eigentlich ist es etwas Schönes, sich zu entscheiden. Denn sich entscheiden heisst, Freiheit wahrzunehmen. Genau hier entsteht ein Paradox: vor dem Entscheid habe ich die Freiheit der Auswahl, nach dem Entscheid nicht mehr – die Freiheit wird sozusagen kleiner. Denn oft gibt es nach dem Entscheid kein Zurück mehr. Das gilt für vieles im Leben, ganz besonders für die berufliche Laufbahn. Wir treffen oft Entscheide von grosser Tragweite. Also müssen «richtige» Entscheide her. Doch wie entsteht ein guter Entscheid? Dazu wurde viel geforscht und geschrieben, und es gibt mehrere Denkansätze und Strategien, die zu guten Entscheiden führen können. So sollte man meinen, dass wir heute das Wissen haben, um nur gute Entscheide zu fällen. Doch die Sache hat mehr als einen Haken.

Wie fällt man gute Entscheide? Diese Frage treibt die Menschen seit langem um, wichtige Entscheide prägen die Weltgeschichte. Jeder Entscheid braucht eine Grundlage, ohne die er nicht zu fällen ist: das Ziel. Wohin soll der Entscheid führen? Das mag trivial erscheinen, ist aber oft genau der Knackpunkt. Wer Schwierigkeiten hat, Entscheide zu fällen, hat vielleicht das Ziel noch gar nicht oder zu unklar definiert (z.B. «ich will endlich glücklich werden») oder aus den Augen verloren. Um das Ziel zu definieren, muss ich wissen, wo ich heute stehe.

Erster Schritt: Standortbestimmung

Das führt uns zur ersten Bedingung, um einen tragfähigen Entscheid fällen zu können: Ich muss meinen heutigen Standort im Beruf, im Leben, in der Beziehung usw. kennen und daraus ableiten, wo ich hin möchte. Die Standortbestimmung ist somit die Grundlage für die Zieldefinition, und das Ziel die Grundlage für die Entscheide, die zum Ziel führen.

Und da kommen wir schon zum nächsten Punkt: viele Wege führen nach Rom. Wie erreiche ich das Ziel möglichst sicher, effizient und nachhaltig? Je komplexer die Sache ist, umso weniger gibt es ein Richtig oder Falsch. Soll ich nach der Schule eine Berufslehre absolvieren oder die Mittelschule, um später einmal eine gute Position mit entsprechendem Lohn zu bekommen, die mir obendrein auch noch gefällt? In den wenigsten Fällen gibt es einen richtigen oder falschen Entscheid oder das Ziel ist derart weit weg, dass es kaum der Orientierung dient. Also müssen andere Kriterien her. Gehe ich gerne zur Schule? Möchte ich lieber praktisch arbeiten, dafür später wieder intensiver zur Schule gehen? Was sind meine Fähigkeiten, meine Talente? Die zweite Bedingung für einen guten Entscheid ist, ein erreichbares Ziel zu definieren.

Gibt es DEN richtigen Entscheid?

Schnell wird klar: oft braucht es eine ganze Kaskade an Entscheiden, um ein langfristiges Ziel zu erreichen. Dann kommt noch hinzu, dass sich das Ziel mit der Zeit verändern kann. Ein früher gefällter Entscheid passte zum damaligen Ziel, aus heutiger Sicht war er aber doch nicht so gut. Das konnte ich aber im Voraus nicht unbedingt wissen. Merken Sie etwas? Oft ist es gar nicht möglich, einen hundertprozentig richtigen Entscheid zu fällen.

Wie kann ich aber einen optimalen Entscheid fällen? Der vielleicht, sagen wir, zu siebzig bis achtzig Prozent passt? Möglichst viele Szenarien durchspielen, mit verschiedenen Menschen sprechen, die die Sache aus verschiedensten Blickwinkeln anschauen. Je unterschiedlicher die Meinungen, umso besser! So können wir Optionen abwägen und uns für die beste entscheiden. Oder völlig neue Wege sehen.

Entscheide von grosser Tragweite müssen oft auf dem Hintergrund von grösserer Komplexität, vielen Unbekannten und eigenen Ängsten getroffen werden. Daher sollten Sie wenn möglich nicht einsam und alleine entscheiden, sondern in einem Team, seien dies die eigene Familie, Fachleute, Freunde oder – je nach Thema – Betroffene und Beteiligte.

Die Sache mit dem "einsamen Entscheid"

Einsam gefällte Entscheide von grosser Tragweite bergen oft enorme Risiken, besonders wenn der Entscheider oder die Entscheiderin sich überschätzt (oder unterschätzt) oder über zu wenige Informationen verfügt. Zapfen Sie also möglichst viele fremde Gehirne an, die mit Ihnen mitdenken. Das wäre dann die dritte Bedingung, um einen guten Entscheid zu treffen.

Wer entscheidet, der Bauch oder der Kopf? Je grösser die Lebenserfahrung, desto sicherer wird die Intuition. Wer schon viele Situationen erlebt, viele Entscheide gefällt hat, spürt recht schnell und oft verblüffend treffsicher, wo es langgehen könnte. Wer noch unerfahren ist – sei es wegen dem jugendlichen Alter oder weil das Thema neu ist, wird eher mit dem Kopf entscheiden und auf Unterstützung angewiesen sein.

Dann gibt es noch jene Menschen, die gar nicht gerne entscheiden und es am liebsten beim Nicht-Entscheid bewenden liessen. Wer nicht entscheidet, für den wird entschieden. Entscheiden heisst Freiheit wahrnehmen, diese aber gleichzeitig einzuschränken. Wer nicht entscheidet, um sich diese Freiheit zu bewahren, läuft Gefahr, die Entscheidungsfreiheit ganz zu verlieren. Daraus ergibt sich die vierte Bedingung für einen guten Entscheid: entscheiden Sie!

Empfehlenswerte Literatur zum Thema Entscheiden

Evans, Dylan: RQ Risikointelligenz – Wie wir richtige Entscheidungen treffen; Droemer, 2013

Zwygart, Ulrich: Wie entscheiden Sie? Haupt, 2007

Mai, Jochen: Warum ich losging, um Milch zu kaufen und mit einem Fahrrad nach Hause kam; dtv Verlagsgesellschaft, 2016